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Interreligiöses Jugendseminar

Interreligiöses Jugendseminar

Leben in der Rolle der Minderheit

Interreligiöses Jugendseminar 2011/2012

Ort: Gemeindezentrum Birkenwaldstraße 26, Stuttgart (Jugendraum) am 22.01.2012

Religiöses Leben als Minderheit stellt sich anders dar als für die heute säkulare Mehrheitsgesellschaft: Feiertage, Essen und Trinken oder die religiöse Ausschmückung der Feste – all das ist nicht einfach in einer mehrheitlich säkular geprägten Gesellschaft.

Damit beschäftigten sich 14 Jugendliche aller drei abrahamitischen Religionen.

Religiös und selbstbewusst – und viel Spaß beim interreligiösen Freizeit-Event

Religion und Glauben werden in unserer Gesellschaft heute meist gar nicht oder in den Medien als Konfliktpunkte wahrgenommen. Doch entspricht das der Realität? Wie sehen das Jugendliche, wo stehen sie und wie stehen sie zu ihrer Religion. Das forum jüdischer bildung und kultur e.V. hatte gemeinsam mit dem Evangelischen Jugendpfarramt Stuttgart und dem Koordinierungsrat für christlich-islamischen Dialog (KCID) zu einem Seminar „Religiös und selbstbewusst. Leben in der Rolle der Minderheit“ eingeladen, in dem sich jugendliche Juden, Christen und Muslime über ihr Selbstverständnis und ihr religiöses Bewusstsein austauschen konnten.

Standpunkte und Verständnis

Es war eher Zufall, dass die Religionen nahezu gleichstark vertreten waren: 4 Muslime, 5 Christen und 5 Juden fanden sich zusammen. Zunächst standen das Kennenlernen und das Entdecken gemeinsamer Interessen, die nicht schwer aufzuspüren waren, im Vordergrund. Doch dann wurde es schwieriger: Jeder sollte seinen Standpunkt zu Fragen wie „Beeinflusst meine Religion/mein Glaube meinen Alltag?“ oder „Fühle ich mich durch meinen Glauben/meine Religion gestärkt oder geschützt?“ einnehmen. Jeder konnte sehen, wo der andere steht, da den Raumecken Positionen zugeteilt waren (von „sehr stark“ bis „nein, überhaupt nicht“). Wer wollte, konnte seine Position begründen. Und dabei stellt sich manchmal heraus, dass scheinbar weit entfernte Positionen doch ganz nahe beieinander liegen.

Sich für eine Stellung im Raum entscheiden zu müssen, hinterlässt jedenfalls Spuren: „Ich finde, man hat etwas über sich selbst gelernt und über die anderen. Man macht sich deutlicher bewusst, was man eigentlich glaubt“, war die Meinung einer Teilnehmerin, während eine andere festhält: „Sehr gelungen! Aber man wusste irgendwie gar nicht (sofort), wer zu welcher Religion gehört. Einerseits spannend, aber andererseits ein bisschen doof. Ich fand es gut, einfach zusammen was zu machen. Die Religion war im Prinzip egal!“

Einige Filmausschnitte mit Stellungnahmen Jugendlicher aus Beiträgen des Wuppertaler Medienprojekts „Was glaubst du?“ ergänzten die Diskussionsbasis. Die Jugendlichen hörten sich aufmerksam zu und stellten fest, dass es interessant ist, von den anderen zu hören, etwas über ihre Religion zu lernen, aber dass sich eigentlich keiner als Minderheit fühlt. Das hängt wohl vor allem damit zusammen, dass der eigene Freundeskreis fast immer aus Angehörigen der eigenen Religion besteht. Thematisiert wird Religion und Glauben eher selten oder gar nicht.

Konflikte lösen und in Rollen schlüpfen

Gemeinsam aktiv wurden die Jugendlichen, als es darum ging, sich Lösungen für zwei Konfliktsituationen zu überlegen. Vorgegeben war einmal, dass eine jüdische Jugendliche, die die Hauptrolle in einem Musical übernommen hatte, an Jom Kippur nicht spielen darf – das ist der höchste jüdische Feiertag, ein Fast- und Umkehrtag. Wie können da Freunde helfen? Lässt sich eine Lösung finden?

In der zweiten Situation steht im Mittelpunkt, dass der muslimische Freund, der bei den Hausaufgaben unterstützt, von der Mitschülerin zum Abendessen eingeladen wird. Doch der Großvater ist voller Vorurteile. –  Was spielt sich bei diesem Abendessen wohl ab? Wer reagiert wie?

Die jeweiligen Präsentationen haben die Jugendlichen gefilmt, sodass sie demnächst hier angeschaut werden können. Manchmal brauchte es mehr als eine „Klappe“, denn wie die Profis verpasst man halt auch mal den Einsatz, muss lachen oder das Licht stimmt nicht oder die Kamera steht falsch … Spaß gemacht hat es allen, wie die Reaktionen zeigen: „Cooles Rollenspiel, weil man sich in kurzer Zeit sehr viel einfallen lassen musste. Da war alles drin!“, „Das Filmen hat mir am besten gefallen. Es hat Spaß gemacht – man hat neue Menschen kennengelernt.“ „Das Rollenspiel war sehr witzig, hat Spaß gemacht.“

Einen gelungenen Abschluss bildete ein gemeinsames Abendessen – ohne Fleisch, damit jeder unbedenklich zugreifen konnte. Das Interesse, sich besser kennenzulernen ist geweckt. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer würden gerne bei einer Fortsetzung mitmachen.

 

Wir bedanken uns für die Kooperation beim Koordinierungsrat islamisch-christlicher Dialog e.V., dem Evangelischen Jugendpfarramt Stuttgart, dem Haus Abraham und dem Stuttgarter Lehrhaus.

Für die finanzielle Förderung danken wir der Landeszentrale für politische Stiftung und der Jugendstiftung Baden-Württemberg.